Von Potsdam nach Moskau. Stationen eines Irrweges by Margarete Buber-Neumann

Von Potsdam nach Moskau. Stationen eines Irrweges by Margarete Buber-Neumann

Autor:Margarete Buber-Neumann [Buber-Neumann, Margarete]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783105605936
Herausgeber: FISCHER E-Books
veröffentlicht: 2015-10-24T16:00:00+00:00


Husarenstreiche

Mit der Linksschwenkung der KPD-Politik in Deutschland stieg wiederum die Hoffnung ihrer Mitglieder auf baldigen Umschwung. Obgleich die Zeiten von Max Hölz längst vorüber waren, lebte in gewissen Kreisen weiter der Wunsch nach revolutionärer Aktion. Nur sollte er jetzt einen ganz anderen Ausdruck finden als in den turbulenten Zeiten zu Anfang der zwanziger Jahre. Damals wollten die kommunistischen Kräfte Bürgerkrieg und Revolution. Aber nach dem Zusammenbruch dieser Aufstandsbemühungen im Jahre 1923 unterschied sich die KPD in ihrem kämpferischen Stil für die nächsten sechs Jahre kaum noch von der Sozialdemokratischen Partei aus der Zeit vor dem Weltkriege. Vielen Kommunisten war es klargeworden, daß nach dem Weltkrieg keine wirklich revolutionäre Situation in Deutschland geherrscht hatte. Auch mit der neuerlichen Linksschwenkung der KPD nach 1928 hatte sich keineswegs die erwünschte Veränderung in Deutschland vollzogen. Die Wirtschaftskrise löste nicht, wie man hoffte, einen revolutionären Aufschwung der Massen aus. Aber die Komintern focht das nicht an. Wider besseres Wissen und sogar in übelster Absicht behauptete sie bis zum bitteren Ende, Deutschland sei reif für eine Revolution. Nun konnte aber weder den kommunistischen Arbeitern noch den Funktionären die wirkliche Lage in Deutschland entgehen. So blieb ihnen nichts anderes übrig, als vor der Wahrheit die Augen zu verschließen und den echten Glauben an die Revolution durch Illusionen zu ersetzen. Das revolutionäre Temperament aber verlangte auch unter diesen ungünstigen Umständen nach einem Ventil. Geheimapparat und Husarenstreiche ersetzten in der KPD gegen Ende der zwanziger Jahre die revolutionären Aktionen der Massenbewegung. Ich habe hier nicht vor, einen Bericht über die Tätigkeit des Geheimapparates zu geben; damit war ich nicht vertraut genug, und ich kann darüber nur am Rande berichten, aber einige Husarenstreiche verdienen es, festgehalten zu werden.

Im Jahre 1928 verkündeten eines Tages die Schlagzeilen der Boulevardblätter, daß es einer Gruppe tollkühner Kommunisten gelungen sei, ihren Genossen Otto Braun aus dem Berliner Untersuchungsgefängnis Moabit zu befreien. Die Hauptrolle bei diesem Husarenstreich spielte Olga Benario, die Braut des Befreiten. Es ging also um Politik und Liebe, und das ließ die Herzen der Berliner höher schlagen. Die Zeitungen überboten sich in romantischen Darstellungen der schönen Münchnerin Olga, der Tochter aus reichem Hause, die, in Liebe zu dem Kommunisten Otto Braun entbrannt, voller Sehnsucht auf dessen Freilassung gewartet habe. Dann aber habe sie zu ihrem Schmerz erfahren müssen, daß die Trennung von ihrem Bräutigam noch nicht beendet sei, denn man habe einige Tage vor dem Entlassungstermin ein neues Verfahren wegen Hochverrats gegen ihn angestrengt, und diesmal sogar vor dem Reichsgericht. Auf diese Mitteilung hin habe Olga den Plan zur Befreiung ihres Geliebten gefaßt. Das Heer der sympathisierenden Zeitungsleser war nur von dem einen Wunsch erfüllt, daß es den flüchtigen Helden gelingen möge, zu entkommen, und voller Verachtung kommentierte man den Steckbrief, der für einen Hinweis an die Polizei, wo sich die Flüchtigen aufhielten, eine Belohnung von 10000 Mark versprach. Der harmlose Zeitungsleser hatte aber weder eine Ahnung, wie sich diese Befreiung in Wirklichkeit zugetragen hatte, noch welche Rolle Olga und Otto eigentlich in der KPD spielten. Otto Braun hieß mit richtigem Namen Karl Wagner und war ein langjähriger führender Mitarbeiter des Geheimapparates der KPD.



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